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Wir wollen dahin, wo uns niemand mehr fragt, warum es uns braucht

Die Corona-Pandemie hat unsere vermeintlichen Gewissheiten grundlegend auf den Kopf gestellt. Dies trifft in besonderem Maße auf das Musikleben zu, das seit März 2020 eine bislang unvorstellbare Eiszeit erlebt – mit existentiellen Folgen. Wenn sich das Eis zurückzieht, wird vieles nicht mehr so sein, wie es war. Und auch wenn manche sehnsüchtig zurückschauen: Vieles hätte schon längst auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Lange vor der Eiszeit.

Wir möchten mit kritisch-wachem Blick in die Vor-Corona-Zeit zurückblicken und Anstöße geben für einen ergebnisoffenen Transformationsprozess in die Zukunft, den unser Musikleben dringend braucht. Die öffentlichen Diskussionen um Relevanz, Wirtschaftskraft oder Nutzen von Kultur haben gezeigt, wie groß die Distanz zwischen Politik, Gesellschaft und Kulturszene in manchen Bereichen ist. Und wie unberührt manche Segmente der Hochkulturszene von aktuellen gesellschaftlichen Debatten in ihrer Tradition schlummern – vor allem in der Klassischen Musik.

Wir brauchen dringend eine zukunftsorientierte Debatte über die Grundlagen des Musikbetriebs, geprägt von Offenheit, Ehrlichkeit und Neugier – vonseiten der Kulturakteur*innen wie von Gesellschaft und Politik. Wir müssen das Verhältnis zwischen Selbständigen und Festangestellten, Projekten und Institutionen, Laien und Profis, Künstler*innen und Publikum neu verhandeln.

Dazu brauchen wir neue Kooperationsformen, selbstverständliche Verankerungen in Stadt- oder Regionalgesellschaften, neue Formen, Formate und Kontexte sowie verbesserte und prozessbegleitende Förderstrukturen. Dazu gehört auch die Frage, was und wen wir meinen, wenn wir über Kultur sprechen.

Die gegenwärtige Situation bietet die Chance zu längst überfälligen Veränderungen. Wir müssen eine gemeinsame Zukunftsvision entwickeln, uns auf Zielrichtungen einigen und Gestaltungswillen in Handeln übersetzen, anstatt in der Erstarrung zu verharren und auf die Wiederkehr der Vergangenheit zu warten. Sonst bleibt fast nichts mehr übrig, wenn sich das Eis zurückzieht.

Wer unsere Wahrnehmung und den Willen zur Veränderung teilt, ist herzlich zum Mitdenken und -handeln eingeladen.